Seite 4 Der große Großvater
Seite 5 Der andere Großvater
Seite 5 Die Zeit vor Fred
Seite 6 Lebertran für Jedermann
Seite 8 Mein schwarzer Bruder
Seite 9 Unter falschem Verdacht
Seite 10 Meine zweite Heimat
Seite 12 Spitalsturbulenzen
Seite 13 Nomen est Omen
Seite 13 Lernjahre sind keine Herrenjahre
Seite 14 Mein Schutzengel ruft mich
Seite 14 Das große Saufen
Seite 15 In der Tanzschule
Seite 15 Zum Massenmord angestiftet
Seite 16 Ich bin der Star von Malinska
Seite 17 Da hatte ich mich aber geschnitten
Seite 18 Das erste Auto
Seite 19 Mein erster Schlagerwettbewerb
Seite 20 Ich gründe eine Handelsagentur
Seite 20 Überfälle und andere Vorfälle
Seite 21 Eine junge reiche Dame
Seite 22 Ich lade mich gern zum Essen ein
Seite 23 Fußballfreuden
Seite 24 Alfred der Streitbare
Seite 25 Und jetzt auch noch Versicherungen
Seite 26 Der Traumjob und der Verkaufsguru
Seite 27 Albanien im Kommunismus
Seite 28 Mein Streik in Israel
Seite 28 Mein vierzigster Geburtstag
Seite 29 Wir Hochzeiten
Seite 30 Der erste Urlaub mit meiner Frau
Seite 31 Das Radtouren immer so enden müssen
Seite 31 Michaela bitte melden
Seite 32 Der Stoff aus dem die Bären sind
Seite 32 Ich verliere meinen Namen.
Seite 36 Meine enge heiße Lederhose
Seite 37 Christine die Übersinnliche
Seite 38 Meine deutschsprachigen Lieder
Seite 38 Alles im ORF
Seite 41 Ich gerate in die Presse
Seite 43 Templin im Winter
Seite 44 Hallo, hallo Udo Jürgens
Seite 43 Ich bin kurzfristig reich
Seite 45 Tiererlebnisse
Seite 47 Mein Vater und die Prominenz
Seite 48 Der Zuckerlmann und der Verwirrte
Seite 49 Die Fliege, der Fliege
Seite 50 Armin Risi der Ehrliche
Seite 51 Viele Wege führen zu Gott
Seite 52 Vier in Prag
Seite 52 Meine drei Neffen
Seite 53 Das ungarische Kapitel
Seite 54 Mein NG/NG Tennis
Seite 54 Mein privates Feuerwerk
Seite 55 Terror, Tränen, Transvestiten
Seite 56 Nachschlag
Seite 57 Tonträgerliste
DER GROSSE GROSSVATER
Natürlich kann man über Theodor Wottitz nicht einfach hinweggehen, ohne auch ein wenig aus seinem Leben zu erzählen. Schließlich hat er diesen Familienzweig geprägt und ist der Stolz seiner Nachfahren. Nicht nur weil er heute im Ehrengrab der Stadt Wien ruht, sondern weil er zu Lebzeiten mit den Größen der Musik der damaligen Zeit gearbeitet hat und er auch vielen emporstrebenden Künstlern, hilfreich zur Seite stand. So läutete es eines Tages an seiner Tür, in der Weintraubengasse 9, in der Wiener Leopoldstadt. Ein verhungert aussehender junger Mann stand davor und gab sich als Hermann Steinschneider zu erkennen . Er hatte einen Text verfertigt und bat T.W. um Vertonung. Mein Großvater las die Worte und fand den Text “Was die Glocke vom Stephansdom erzählt “ sehr gut. Er versprach sich der Sache anzunehmen, was aber für Steinschneider nicht genug war. “Wissen sie Herr Wottitz, ich habe jetzt schon tagelang nur Speiseeis gegessen - eine wohlgesinnte junge Eisverkäuferin, schenkte ihm immer wieder einige Kugeln -, ich würde so gern wieder einmal etwas vernünftiges Essen. Können Sie mir einen Vorschuß geben ? “ Mein Großvater, nicht wissend, ob er jemals für dieses Lied Einnahmen erzielen würde, erbarmte sich und gab dem Texter Geld, was dieser mit großer Dankbarkeit annahm. Die Zeit verging, das Lied war erfolgreich, mein Großvater wollte Herrn Steinschneider das ihm zustehende restliche Geld geben, doch dieser war wie vom Erdboden verschluckt. Da bekam mein Großvater, einen neuen Auftrag zur musikalischen Künstlerbetreuung. Ein Weltkünstler der Extra-Klasse, kein geringerer als Hellseher Erik Jan Hanussen, gastierte in Wien und T.W. bekam die Leitung des Begleitorchesters. Ein Agent erklärte meinem Großvater genau, wann was zu spielen war und mein Großvater war schon sehr gespannt auf die Generalprobe, wo er diesen Ausnahmekünstler zu sehen bekommen wird. Er dirigierte, das Licht wurde langsam heruntergedreht und im Scheinwerferkegel erscheint . . .Hermann Steinschneider ! Mein Großvater stürmte in der Pause sofort in die Garderobe: “Herr Steinschneider, sie bekommen von mir ja noch . . .“ Dieser unterbrach ihm abrupt: “Ich bin Erik Jan Hanussen, Herr Wottitz ! Ich bitte Sie, mich auch in Zukunft so zu nennen. Das Geld geben sie bitte Ihren Kindern, oder so und nun lassen sie mich noch etwas entspannen. Ja ?“ Eines der vielen Erlebnisse der damaligen Zeit, wo Leute oftmals sehr erfindungsreich sein mußten, um die kargen Zeiten zu überstehen. So wurde z.B. für Witwen von verstorbenen Künstlern gesammelt, die nie gelebt hatten, mit der Bitte an meinen Großvater nur zu unterschreiben, daß er eine größere Geldsumme gegeben habe. Er brauche überhaupt nichts zu zahlen, wenn er aber auf der Liste aufscheint, noch dazu mit einem großen Betrag, werden auch die anderen im entsprechenden Rahmen spenden usw. Diesen umsatzhebenden Trick, den mittlerweile Absammelnde aller Art verwenden, ja jeder halbwegs gut ausgebildete Bettler, in seine Tätigkeit einbezieht, in dem er eine Münze oder Geldschein aufs Sammeltablett legt, um die Spender zu animieren, ihre milde Gabe in ähnlicher Größenordnung abzugeben, nennt man übrigens Fliege. Was aber nichts mit dem heute so erfolgreich tätigen deutschen Moderator zu tun hat, auf den wir im Verlauf noch zu sprechen kommen werden. Noch vor dem 2. Weltkrieg verstarb Theodor Wottitz, im Alter von nur 62 Jahren und hat sich mit diesem frühen Tod eine Zeit erspart, die, wie wir ja alle inzwischen wissen, grauenvoll war.
TEMPLIN IM WINTER
Templin kannte ich ja nur bei angenehmen Temperaturen und stellte es mir sehr romantisch vor, auch einmal im Winter dort zu sein. Meine kälteerprobte Mutter, versuchte mir das aber immer auszureden. Sie meinte, um jemanden den Begriff trostlos zu erklären, bräuchte man nur zu dieser Jahreszeit in Templin sein. Wann glauben Kinder schon ihren warnenden Eltern, ich tat das auch nicht. Ich kannte dort herrlichste Sonnen-, aber auch lang anhaltende Regentage, wo einem klar wurde, wieso es dort so viele Seen gibt. War sogar Zeitzeuge, als die berühmte Mauer gezogen wurde, was uns eine abenteuerliche Heimreise bescherte. Aber Templin im Winter, stellte ich mir traumhaft vor. Mein Lied “Die Stadt im weißen Kleid“, hatte ich vor meinem tatsächlichen Besuch zu dieser Jahreszeit geschrieben und vermittelte damit die Vorstellung, die ich vor meiner Anwesenheit zu diesem Zeitpunkt hatte. Von unseren einst lustigen Wiener Silvesterfeiern animiert, die ich noch aus meiner Kinder- und Jugendzeit mit unserer Familie und der Familie meines Schwagers, sowie anderen Besuchern bei uns zu Hause in Erinnerung hatte, wo mein Vater immer humoristisch zur Hochform auflief, wollte ich gerade dieses Fest einmal in Templin verbringen. Michaela, von meinen Visionen angesteckt, freute sich auch schon und wir trafen am 30.12. bei unseren Templiner Bekannten ein. Schon bei der Anreise vermittelte uns unser Auto, daß es draußen arktische Temperaturen gibt, da der Heizungsregler immer mehr auf Maximum gestellt werden musste. Aber beim Tanzen im ehemaligen Seglerheim am Templiner Stadtsee, das jetzt nach der Wende eine private Gaststätte geworden war, würde es uns schon warm werden, war unsere Vermutung. Der Silvester rückte heran und wir setzten uns an einen Tisch, den unsere Bekannten für uns und einigen anderen Templiner Paaren, reserviert hatten. Die Namen bei der gegenseitigen Vorstellung, sollten dann für lange Zeit die letzten Worte gewesen sein, die an diesem Tisch gewechselt wurden. Hätte mein Visavis Partner uns bei der Ankunft am Tisch nicht die Hand gegeben, ich hätte ihn für eine gut geschnitzte Holzpuppe gehalten. Seine Frau zeigte sich ähnlich temperamentvoll und so warteten wir auf die nächsten Ankömmlinge. Doch die schienen aus dem selben Material geformt zu sein. Ihre Feststellung, dass es draußen kalt ist, zeigte zwar, dass sie sprechen konnten, am Tisch verfielen sie aber in die gleiche Starre, wie von unserem ersten Tischpaar schon eingenommen und bei Dornröschen so gut beschrieben. Ich wollte mich nicht nur ständig mit Michaela unterhalten und wollte das Eis mit einem Witz brechen, passend zum Fischmenü. Mein Humor wird dem Tisch leben einhauchen, war ich mir sicher. Ich startete: “ Da fragt der Ober den gerade trinkenden Gast, wollen der Herr die Forelle blau essen ? Worauf dieser sagt, nein sie können sie jetzt schon bringen“. Stille ! Dann fragt mein Gegenüber stocksteif “Wann hat der Ober das gesagt ?“ Nimmt er mich auf den Arm ? Nein, offensichtlich weiß er nicht, dass Forelle blau eine Zubereitungsart ist, blau aber auch als ein Zustand bezeichnet wird, der nach zu starkem Alkoholgenuss eintritt. Ich will den Witz nicht länger erarbeiten und schleudere die nächste Pointe: “ Ein Firmenchef kommt nervös ins Büro und fragt den Lehrling, ist was eingegangen ? Worauf dieser antwortet, ja die ganze Firma“. Alle Schweigen. Nun schaltet sich ein anderer Tot geglaubter ein und verkündet mit Trauermiene: “Ja, es sind schlimme Zeiten“. Mir ist es, als ob seine Worte von Beethovens 5.Symphonie überlagert werden, verdränge diese Halluzination aber gleich wieder. Ist das eine Verschwörung, kommt es mir in den Sinn ? Die wollen mich fertig machen. Das haben die verabredet. Nun krame ich tiefer im Witzfundus. Mit dem nächsten Gag, habe ich sogar schon Schweizer schlagartig zum Lachen gebracht, von denen mich mein Vater einst warnte, weil er bei einem Engagement in Zürich von dem Pfarrer gebeten wurde, Samstags keine Witze mehr zu erzählen, da ihm die grübelnden Schweizer, stets am Sonntag die Messe verlachten. Ich lege los und erzähle über den Vaterschaftsprozess, wo der Richter, die überraschend anwesende Mutter der Klägerin erstaunt fragt, haben sie auch eine Ladung erhalten? Diese erwidert rot werdend, nein, mich hat er nur geküsst ! Mein animierendes, einsames Lachen wird schnell dünner, in der betroffen wirkenden Schar. Höflich wartet die ganze Trauergemeinde ab, bis ich mein Lachen mit einem Ha eingestellt habe und analysiert dann die festgestellte unzusammenhängende Antwort der Zeugin. “Die Leute sind so unkonzentriert heutzutage“ stellt einer fest. “Auch ich hab einmal erlebt, wie eine ältere Frau immer wieder Antworten gab, die nichts mit den Fragen zu tun hatten, bis dem Gesprächspartner die Geduld riss und er ihr wütend das Götzzitat empfahl, was sie mit dem Satz “ Ja, das ist ohnehin das beste Nachtmahl“ auch wieder unzusammenhängend beantwortete. Nur, die war ja schwerhörig, wie sich später zu ihrer Entschuldigung herausstellte. Nun muss ich lachen, während mich meine Tischnachbarn pikiert ansehen. Wir werden auffallen im Lokal, scheinen mir ihre Blicke deuten zu wollen. Währenddessen hatte ein Diskjockey die Musikanlage zum Dröhnen gebracht, in einer Lautstärke, dass weitere Unterhaltungsversuche sich erübrigen. Er spielt eine Musik, die dem großteils mittelalterlichen Publikum überhaupt nicht konveniert. So tanzt er eben selbst vor Begeisterung, als einziger auf der Tanzfläche, zu den Urwaldklängen. Seine Verrenkungen würden im Dschungel die Tierwelt beeindrucken, aber er ist mir lieber, als das Wachsfigurenkabinett an meinem Tisch. Mühsam bringt ihn einer der Gäste zum Stehen, vermittelt ihm scheinbar, dass auch die anderen Gäste tanzen möchten, seine Musik dafür aber nicht tauglich ist. Nun erklingt Heino, was mir den Satz, vom Regen in die Traufe, in Erinnerung ruft. Wie blau der Enzian ist, ist mir bekannt. Auch wenn er es noch so oft wiederholt, blauer wird er nicht. Höchstens ich, der mit Alkoholika aller Art, diesen quälenden Abend wegzuspülen versuche. Michaela, in bewährter Art meinen Trinkkonsum überwachend, fällt mir in den Arm. Ihr: “Du hast schon genug“, zwingt mich, die Zeit bis Mitternacht bei vollem Bewusstsein durchzustehen. Dann prosten wir uns alle, die bekannten Glückwünsche leiernd, zum neuen Jahr zu und ich vermisse zum ersten Mal, so richtig den Donauwalzer. Bald darauf bewegen sich alle Richtung Heim und ich entschuldige mich immer wieder bei meiner bereits im Himmel befindlichen Mutter, dass ich ihr nicht geglaubt habe. Sie hatte den Begriff trostlos offenbar nur gewählt, um mich mit der entsetzlichen Wahrheit nicht gar so schlimm zu konfrontieren. Die nächsten Tage rutsche ich bei extremen Glatteis noch durch die Gegend und lerne dabei das Templiner Pflaster näher kennen, als es mir lieb ist. In den Wohnungen wird bis 23 Uhr geheizt, dann verwandelt sich das Schlafzimmer in einen Iglu. So ziehen wir uns zum Schlafen an, statt aus. Aber da ja tröstlicher weise alles einmal endet, rutschen wir mit unserem Auto einen Tag später, wieder Richtung Wien. In Dresden möchte ich tanken und schlittere beinahe eine Zapfsäule um, obwohl ich Schrittempo fahre. Kurz nach der Grenze, schon auf tschechischem Gebiet, ist es mittlerweile Nacht geworden und nun setzt auch noch starker Nebel ein. Durch den hohen Schnee auf der Straße, kann man nicht mehr erkennen, wo die Straße verläuft. Irgendwo tasten sich von Zeit zu Zeit, offensichtlich von Lastwägen stammende, Scheinwerfer heran und wenn diese vorbei schrammen, weiß man, daß man scheinbar noch auf der Straße fährt. Es könnte aber auch sein, daß der eine oder andere LKW schon auf dem Feld gefahren ist. Nach Prag, endlich geräumte Autobahn. Nach flotter Fahrt, müssen wir die schöne Straße bei der Ausfahrt Richtung Znaim, leider wieder verlassen. Dünne Funzeln, die den Namen Straßenbeleuchtung nicht verdienen, geben zumindest soviel Licht, um zu zeigen, dass wir ab jetzt auf dem längsten Eislaufplatz der Erde fahren werden. Viele Zwangskorrekturen mit dem Lenkrad, trotz extrem langsamen Tempo, verhindern, dass wir mit den oftmals bedrohlich näher kommenden Straßengraben und seinen Bäumen, näher Bekanntschaft machen. Ein holländischer, endlos langer Lastwagenzug spielt mit uns ein schönes Spiel zur guten Nacht. Bei allen Kurven fährt er so, dass man nicht erkennen kann, ob er sich überhaupt noch bewegt. Auf den geraden Strecken dreht er dann auf, dass es nicht möglich ist, ihn bei diesen Wetterbedingungen, zu überholen. Auf einem besonders langen, gut einsehbaren Straßenstück, schaffe ich es mit heulendem Motor dann doch, touchiere ihn bei diesem Manöver beinahe, dann verschwindet er, Gott sei Dank, hinter mir in der Nacht. Wir treffen gegen vier Uhr morgens in Österreich ein. Trockene Straßen empfangen uns. Die Opposition hat die Regierung beleidigt und umgekehrt, erfahren wir aktuell aus dem Radio. Was uns ziemlich egal ist. Wir sind froh wieder daheim zu sein und von Templin im Winter, sind wir nachhaltig geheilt.